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Einst stand im Museum ein Thermograph, ein unauffälliges
Gerät, das jede Schwankung der Temperatur registrierte. Jede
Regung in seinem Innern übertrug der Bimetallstreifen auf
den Schreibhebel, welcher sie präzise aufzeichnete. Dies
alles geschah im Dienste der Kunst. Denn Kunst zu bewahren, das
hieß, sie vor Veränderungen zu bewahren. Lauwarm sollte
es sein, und Stille sollte herrschen; im Hintergrund nur das leise
Ticken des Thermographen. Es kam aber die Zeit, da die Kunst begann,
sich gegen ihre frühzeitige Konservierung zur Wehr zu setzen.
In einem energischen Befreiungsakt entfloh sie den wohltemperierten
Hallen. Angesteckt von der heiteren Aufbruchsstimmung, zu zaghaft
jedoch, dem Beispiel der Künstlerkollegen zu folgen, machte
der brave Schreiber den leeren Arbeitsplatz zu seinem Aktionsraum.
Bereitwillig ließ sich der Bimetall-streifen einspannen
und als Saite wild bespielen. Rund ging's im Museumsraum, der
von rauhen Klängen widerhallte. Je heißer es herging,
desto schriller jubilierte das Metall. Es war ein wahres Fest.
Doch hatte auch diese Ausbruchsphase bald ein Ende, als die Kunst
nämlich, erschöpft von den Exzessen draußen auf
der Straße und in entlegenen Lokalen, reumütig in die
klimatisierten Säle zurückkehrte. Nun trat hier wieder
Stille ein, sanft durchbrochen lediglich vom leisen Ticken des
Thermographen. Nur manchmal nachts, wenn einer heimlich den Rekorder
einschaltet, werden Erinnerungen wach an längst vergangene
Zeiten.
Susanne Weiß
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