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Ich stelle mir vor, ich stehe in der Installation
mit Namen Modell 7
(Boullée) von Ralf Peters. Der Ventilator des Projektors
surrt,
Lichtstrahlen durchmessen den Raum. Ich suche das projizierte
Bild. Im
Spiegel erkenne ich nur ein verkleinertes Bild von mir. Dreh ich
mich um
zum Projektor, werde ich selbst zur Projektionsfläche, finde
auf meiner
Oberfläche den Entwurf zum Tempel der Vernunft von Boullée.
Eine riesige
Kuppel, darin ein Felsental, dort, wo meine Eingeweide sind. Auf
dem Nabel
ist eine kleine Statue zu erkennen, die Göttin der Natur.
Ich verweile auf
diesem Punkt. Es ist Sonntag. Hätte sich der französische
Revolutionskalender durchgesetzt, wäre nur jeder zehnte Tag
Sonntag, Zeit
für Ruhe und Musse. Zeit, die Natur anzubeten und ihre Gesetze
zu ehren.
Der Tempel der Vernunft blieb nur Idee. Stattdessen wurden im
ähnlichen
Stil etwas bescheidenere Hochschulen erbaut. In ihnen steht keine
mehrbusige, mit Hirschen flankierte Artemis Ephesia mehr im Zentrum,
sondern abstrakte Paradigmen. Während ich sinniere, reflektiert
der
Hohlspiegel nur meine Rückseite. Wäre ich nicht dazwischen
getreten, hätten
Boullées Entwurf als Dia, mein Bauch als Leinwand und mein
betrachtender,
sinnierender Kopf nie ein imaginiertes semantisches Dreieck gebildet,
das
die Idee am Leben erhielt.
Ueli Stauffacher
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