Silvia Baumgart Modell 55 (Sticks)  

Roland Barthes beschreibt den Augenblick des Fotografiertwerdens als einen "subtilen Moment [...], in dem ich eigentlich weder Subjekt noch Objekt, sondern vielmehr ein Subjekt bin, das sich Objekt werden fühlt: ich erfahre dabei im kleinen das Ereignis des Todes. . ."1 Aber - nicht Menschen stehen hier im Zentrum der Fotografie, sondern Gewehrpatronen. Wie kann hier die Differenz zwischen dem Gegenstand und seiner Repräsentation beschrieben werden? Was ist im Moment des Fotografiertwerdens aus ihm geworden? Mein Versuch der Annäherung gerät an seine Grenze. Denn wie kann ich beschreiben, was aus einem Gegenstand geworden ist? Was sagt das Bild einer Gewehrpatrone über eine Gewehrpatrone?

Gewehrpatronen, - soweit ich sehen kann, handelt es sich bei diesen Exemplaren um Schrotpatronen - , bestehen aus etwa 6 cm hohen zylinderförmigen Hülsen aus farbiger Pappe oder gefärbtem Kunststoff mit einem Hülsenboden aus Metall. Darin befindet sich die Munition: Schrotkugeln und Schwarzpulver. Explodiert die Ladung, verletzt oder tötet sie Menschen und Tiere.

Eines zumindest ist mit den fotografierten Patronen geschehen: sie können nicht mehr explodieren, verbreiten keine Angst mehr. Bedeutet also die Fixierung zum Bild für die Gewehrpatrone, selbst die Wirkung einer Todesdrohung verloren zu haben? In der vorgestellten Installation hat der Künst-ler versucht, den in der Fotografie wirkungslos gewordenen Patronen eine Art des Schreckens auf ästhetischer Ebene wiederzugeben. Die ins Überdimensionale vergrößerten Fotografien überragen die BetrachterIn. Zwischen zwei Reihen der immer gleichen, nur durch die Farbe sich unterscheidenden Fotografien kann der/die BesucherIn des Raumes den Bildern nicht entgehen. Sein/ihr Blick trifft sie, egal wohin er/sie blickt.

Silvia Baumgart

1 Roland Barthes, Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie, Frankfurt a. M. 1985 (1989)